Der Samowar
„Wo sich mein Samowar befindet, da bin ich zu Hause“, besagt ein russisches Sprichwort. Und das drückt die Bedeutung, die Tee in diesem riesigen Land zwischen Ost und West hat, eigentlich schon ganz gut aus: Laut Umfragen greifen 82 % aller Russen täglich zur Teetasse. Grund genug, sich ein wenig genauer mit der russischen Teezeremonie zu befassen! Eine Teekultur, die sich unabhängig von anderen europäischen Ländern entwickelt hat...
Geschichtliches – es begann mit dem Karawanentee
Diese Geschichte beginnt mit einem Geschenk: Jenes des mongolischen Khan Altyn nämlich an den damaligen Zaren Michail Fedorowitsch. Das war im Jahre 1638 – und das russische Staatsoberhaupt war so begeistert von dem neuen Getränk, dass er sich rasch um ein Handelsabkommen mit China bemühte – auch, um so regelmäßig Tee ins Land geliefert zu bekommen. (Als Austausch gab es dafür Pelze.)
Der Tee wurde dabei auf dem Landweg transportiert – und nicht etwa, wie damals üblich, per Schiff. Und so gelangte dieser „Karawanentee“ auf dem Rücken von zahllosen Kamelen ins Land – ein Zug, der entlang der berühmten Seidenstraße rund ein Jahr brauchte. Dem Tee schadete es nicht, nahm er doch seinen charakteristisch rauchigen Geschmack an (der den Lagerfeuern während der Reise zuzuschreiben ist.). Damals galt dieser Tee als der hochwertigste in ganz Europa. In der Regel wurde er zu Ziegeln gepresst, damit man ihn auf diese Weise möglichst platzsparend und sicher transportieren konnte.
Daran sollte sich bis 1925 nichts ändern. Als jedoch zu diesem Zeitpunkt die Transsibirische Eisenbahn fertig gestellt wurde, transportierte man den Tee fortan auf dem Gleis. Damit jedoch der charakteristische rauchige Geschmack weiterhin erhalten bliebt, wurde er mit geräucherten Teesorten wie etwa dem Lapsang Souchong gemischt.
Innerhalb der Bevölkerung konnte sich Tee übrigens ebenfalls zunehmend einer wachsenden Beliebtheit erfreuen. Und längst bedeutet Tee trinken in Russland nicht nur einfach den Durst stillen – nein, er ist zu einem festen Bestandteil des täglichen Lebens geworden. Und so schließt man bei manch einer Teezeremonie Handelsgeschäfte ab oder behandelt wichtige familiäre Anliegen…
Die „Zutaten“ russischer Teekultur
Heute besteht die traditionelle Rezeptur für den russischen Tee aus einer Mischung aus zartem Darjeeling, blumigen Keemun sowie einem würzigen Assam – der bekannten russischen Mischung. Aber auch andere schwarze Tees mit Assam als Grundlage sind „akzeptabel“.
Und natürlich geht ohne den oben bereits erwähnten Samowar bei einer echten russischen Teezeremonie rein gar nichts. Dieses dickbauchige Gefäß gilt als Symbol der häuslichen Gemütlichkeit und des Guten allgemein.
Der Samowar tauchte im 18. Jahrhundert das erste Mal auf. Einst mit Petroleum oder Holzkohle beheizt, genügt heute eine Steckdose. An der äußeren Form sowie der Funktionsweise hat sich jedoch nichts geändert.
Eine weitere wichtige Zutat sind die speziellen Wärmflaschen, welche die Kanne bedecken. Diese Hähne, die aus dichtem Material genäht sind oder auch Puppen Matrjoschkas zieren den Tisch. Und natürlich soll für eine feierliche Zeremonie das festliche Geschirr aus dem Schrank geholt werden. Eine besonders schöne Tischdecke ist ebenfalls ein Muss.
Russischer Tee – die Zubereitung
- Der Samowar wird angeheizt und mit Wasser befüllt.
- Sobald das Wasser kocht, wird eine kleine Teekanne auf den Samowar aufgesetzt. In dieser Kanne wird der Tee zubereitet und zieht dann dort bis zu vier Minuten lang.
- Anschließend wird der Tee mithilfe eines Siebs gefiltert und wieder auf den Samowar gesetzt. Auf diese Weise bleibt der Tee wunderbar heiß – selbst über längere Zeit hinweg. Bis zu einem Tag lang)
- Das Konzentrat, auch Sawarka genannt, wird nun in die Tasse gegossen. Doch muss er dort noch mit heißem Wasser verdünnt werden: Je nach Geschmack liegt das Mischverhältnis hierbei zwischen 1:3 bis 1:10. Das Verdünnen ist deshalb sehr wichtig, da bei der Zeremonie meist ca. 20 Teelöffel Tee auf 1 l Wasser gegeben werden – eine sehr starke Mischung.
- Dieses heiße Wasser wird aus dem Wasserkessel „eine Etage tiefer“ entnommen. Dank des kleinen Hahns sollten keine Probleme beim Ausgießen entstehen. Der zweite Aufguss wird Tscheinik genannt („kleiner Tee“).
- Jeder kann sich nun nach Lust und Laune bedienen.
Wichtige Regeln für die russische Teezeremonie:
- In der Regel wird die Zeremonie auf der Veranda oder im Wohnzimmer durchgeführt – nicht etwa in der Küche oder im Esszimmer.
- Es ist längst zur nationalen Tradition geworden, dass die Hausfrau den Tee ausgießt – und diese Handlung nur in Notfällen von ihrer ältesten Tochter übernommen wird.
- Zitrone sowie Würfelzucker gehören unbedingt zu dieser Teezeremonie. Jeder kann beides nach seinem Geschmack nach Belieben ergänzen.
- Russen genießen zum Tee einen reichhaltigen Imbiss. Besonders beliebt ist Warenje, eine Konfitüre. Wahre Kenner nehmen bei der Zeremonie übrigens einen Löffel Konfitüre in den Mund, um den Tee anschließend darüber laufen zu lassen. Anfänger ziehen die sichere Variante vor: Sie löffeln Warenje in ihre Tasse.
- Eine echte Zeremonie wird niemals ohne Samowar durchgeführt.
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